Nach unserem letzten Interviewteil mit Roland Knorr, in welchem es um die Themen Kundenorientierung und Denkkultur ging, kommt hier der nächste Teil. Diesmal geht es um die Themen Fehlerkultur und Scheitern.
In den nächsten Wochen werden weiter wir nach und nach Aspekte der Digitalen Transformation im Interviewstil als Blogbeiträge posten. Am Ende der Serie werden die einzelnen Interviewteile ein großes Ganzes ergeben, was Ihnen für die digitalen Herausforderungen der Zukunft eine Stütze und Hilfe sein kann.
Somit lohnt es sich regelmäßig die neuen Blogartikel zu lesen, um den Blick für das große Ganze zu bekommen.
Agil ist ja auch, dass man schnell Entscheidungen treffen kann und schnell die Richtung wechseln kann. Spielt die Unternehmenskultur auch insofern eine Rolle, dass sie zum Funktionieren von crossfunktionalen bzw. interdisziplinären Teams und der Einschränkung von Machtkämpfen dient?
Das geht wieder in Richtung Silodenken. Und das muss man aufbrechen. "Wir vom Marketing", "Wir vom Vertrieb", "Wir von HR" usw. Was passiert im Alltag? Jeder wird vertikal an seinen Ergebnissen gemessen. Das sind die Dinge, die dann die betriebswirtschaftlichen Mechanismen immer noch honorieren. Das muss sich ändern und dazu müssten sie aber auch die Organisation umstellen und agil machen. Man merkt auf allen Ebenen, dass wir nicht kundenorientiert denken, sondern in unseren Silos.
Sie haben interdisziplinär gesagt, das ist genau der Punkt. Wenn die Entwicklung nicht mit Marketing spricht, wie soll das dann funktionieren? Oder das Marketing nicht mit der Entwicklung spricht? DAS ist Kultur. Und da brauch ich ganz oben Leute die sagen: „Ich möchte das anders.“ Wer das für mich derzeit sehr schön vorlebt ist Herr Zetsche von Daimler. Und das ist ja jetzt wirklich nichts einfaches, diesen Laden auf Kunde zu trimmen. Der schafft es, dass diese Leute mal darüber nachdenken und sagen: „Lasst uns mal miteinander sowas machen.“
Inwiefern ist – bezogen auf die Fehlerkultur – ein Umdenken in deutschen Unternehmen notwendig? Ist das Bewusstsein dafür schon angekommen?
Ich denke es gibt grundsätzlich drei Kategorien: es sind sich welche dessen bewusst und tun es, frei nach dem Motto „Lass es uns einfach ausprobieren.“ Herr Zetsche hat gesagt: „Wenn wir uns nicht selbst disruptieren, dann werden wir disruptiert.“ Das gleiche kann ich auch hernehmen und sagen, wenn ich nicht selber ausprobiere und hinfalle, dann kann ich nicht daraus lernen, was man beim nächsten Mal besser macht. Dann gibt es auch die ganz Extremen die sagen, „wer hinfällt scheuert sich die Knie auf und das ist nicht männlich genug“. Und es gibt die Mittleren die sagen, „wenn wir hinfallen, dann schauen wir mal, dann stehen wir wieder auf.“ Die machen es reaktiv, Herr Zetsche macht es proaktiv - und die anderen ignorieren es. Um Digitalisierung in der Organisation wirklich zu verankern brauchen wir meiner Meinung nach eine Kultur, die Scheitern als „part of the system“ ansieht: Scheitern ist ok.
Es macht niemand absichtlich Fehler. Wenn er es absichtlich macht ist es kein Fehler, sondern Sabotage. Warum denke ich dann immer als erstes daran, wenn etwas schiefgeht: „Wer war schuld?“ Die Frage ist aber eigentlich: "Was lernen wir daraus?“ Ich habe viele Unternehmen die beispielsweise kein „lessons learned / debriefing“ machen, nachdem ein Projekt abgeschlossen wurde. "Sind Sie wahnsinnig? Wir haben keine Zeit dafür, wir sind ja schon im nächsten Projekt" - die haben dann aber auch gar keine Chance daraus zu lernen. Was lief gut? Was lief weniger gut? Was können wir daraus lernen?
Ein schönes Beispiel für gelebte Unternehmenskultur mit entsprechender Fehlerkultur bietet „dm-drogerie markt“. Die sagen ganz klar: „Wir glauben nicht, dass unsere Mitarbeiter absichtlich Fehler machen - denn das wäre Sabotage. Ergo können wir aus Fehlern nur lernen." Das ist eine gelebte Fehlerkultur. Es gibt aber auch andere Kulturen. Wenn Sie die VW-Kultur anschauen, wo ein Vorstand sich um Spaltmaße gekümmert hat - da wird natürlich auch die ganze Kultur in Richtung Perfektionismus gehen.
Das heißt, nur wer Fehler macht kann auch etwas daraus lernen...
Ja, wenn Sie einmal vom Baum gefallen sind, dann wissen Sie, was Sie das nächste Mal anders machen werden.